Ein kleiner Rückblick auf 2012

Das Jahr 2012 liegt nun hinter uns. Ein Jahr, in dem wir viel bewegen und festigen konnten an den Projekten, die wir 2011 begonnen hatten. Von meinen Erlebnissen und Tätigkeiten konnte ich einigen von euch in den letzten Wochen, da ich wieder in Deutschland bin, schon persönlich berichten. Doch ich möchte auch hier nochmal die Gelegenheit nutzen, um zurückzublicken auf einige besonders bewegende Momente und wichtige Ereignisse.

Missionary Visum erleichtert Arbeit vor Ort

2012 war ich zum ersten Mal 8 Monate am Stück in Südafrika, da mein Antrag auf ein drei Jahre gültiges „Missionary Visa“ endlich im Juli bewilligt wurde – nach vielen Behördengängen, Geduld und Schreiberei sowie einer Reihe ärztlicher Attests. Gott sei Dank! Denn dadurch bin ich nun wesentlich flexibler, was meine Arbeit vor Ort betrifft, ohne den Druck, alles innerhalb von 3 oder maximal 6 Monaten (so lang wird das normale Besuchervisum verlängert) zu erledigen. In Südafrika wichtig, denn dort mahlen die Mühlen etwas langsamer…

Außerdem können wir in den Tagesstätten viel effektiver arbeiten, wenn ich sie kontinuierlich über einen längeren Zeitraum beaufsichtigen und korrdinieren kann. Ein gutes Beispiel: Im Oktober riss bei einem heftigen Unwetter mit Hagelsturm eine Dachrinne ab, so dass über das Zuleitungsrohr kein Wasser mehr in den Regenwasser-Tank fließen konnte. Dieser Tank aber bietet der Tagesstätte die einzigste direkte Wasserversorgung. Meine schwarzen Helferinnen standend staunend und ratlos da, waren schlicht überfordert was die Beschaffung von benötigtem Materialien betrifft. Vier Fensterscheiben waren auch zerbrochen und in Südafrika kann man leider nicht einfach einen Glaser anrufen, der das repariert. Stattdessen muß man selber genau ausmessen und ca. 40 km entfernt in einem Hardware-Shop die Scheiben exakt zuschneiden lassen, den dazugehörigen Kit kaufen und transportieren. Das heißt, es wird Geld gebraucht, ein Auto und jemand, der organisiert und schließlich die Scheiben eingesetzt. Außerdem mussten mühsam die Glasspitter entfernt werden, was natürlich nicht in Gegenwart der kleinen Kinder möglich war.

Ein neues Auto für besondere Anforderungen

Durch das 3-Jahres-Visum kann außerdem mein Auto auf meinen Namen zugelassen werden. Da ohne Auto bei riesigen den Entfernungen in Südafrika gar nichts geht und mein
alter Honda Ballade – mit mittlerweile 268.ooo km – nicht mehr sicher und für die ländlichen Schotter- und Staubpisten geeignet war, mußte ich mir im Mai einen Landrover anschaffen. Das gute Stück ist zwar auch schon 12 Jahre alt mit 147.000 km, ist aber ideal für meine Zwecke und hat mir bei meiner Arbeit schon sehr gute Dienste geleistet.

Der große Kofferraum ist nie leer, neben Grundnahrungsmittel und Obst, die
immer darin sind, kann ich nun auch Tische, Stühle, Tafeln oder eben Glasscheiben, Regenrinnen oder Wasserrohre und große Gasflaschen gleichzeitig transportieren. Platz für meine Helferinnen ist auch genug und sehr oft gebe ich Müttern mit Kindern eine Mitfahrgelegenheit zu Behörden, zum Arzt oder Krankenhaus. Denn die Gegend EFAYE, gelegen im „Valley of 1000 Hills“, ist sehr weitläufig und hat so gut wie keine sonstige Verkehrsanbindung. Auch Schulkindern, die täglich morgens und nachmittags je bis zu 2 Stunden Schulweg haben, freuen sich riesig, wenn sie mitfahren dürfen. Und ich wundere mich dann immmer wieder, wie viele Kinder in ein Auto passen 😉

Man kennt und achtet mich

Mittlerweile kennt man mich und mein Auto und man winkt mir schon von weitem zu oder hält mich an, wenn etwas Besonderes geschehen ist. Neugeborene werden mir in den Arm gelegt mit der Bitte um einen Segen, was eine ganz besondere Ehre für mich ist! Es zeigt mir auch, dass ich von ihnen angenommen worden bin und ihre Achtung habe, worauf
ich sehr stolz bin!

Für die Schwarzen bedeutet es Glück für das Baby, wenn es in den Armen einer Weißen gelegen hat. Wenn die Familie sehr arm ist, erhoffen sie sich natürlich auch Unterstützung von mir, da ich nun quasi als Patin angesehen werde.

Sehr ergreifend war für mich zum Beispiel ein Erlebnis im Oktober, als ich in meinem Auto von einer alten schwarzen Zulu-Frau angehalten wurde. Sie bat mich sehr aufgeregt mitzukommen, zu einem Rundhaus in der Nähe. Das Haus war drinnen sehr düster und leer, nur eine ältere und eine junge Frau saßen auf dem Boden. Erst beim zweiten Blick entdeckte ich 2 kleine, in Decken gewickelte Bündel auf dem festgestampften Lehmboden. Die junge Frau hatte im August Zwillinge geboren, eines der Babies war am Tag zuvor  gestorben. Die beiden Frauen hielten nun Totenwache und wollten, dass ich das Baby segne, bevor es am nächsten Tag beerdigt wurde. Das lebende auch, damit es gesund weiterleben kann. Da sie nichts zu essen hatten, gab ich ihnen Lebensmittel und werde auch in Zukunft regelmäßig bei ihnen vorbeischauen. Das sind Momente, die auch ich erst verarbeiten muß …

Eine meiner wichtigsten Unterstützerinnen vor Ort fällt aus

Seit 2 Jahren unterstützt mich in Südafrika die 34-jährige Zandile – unter anderem als Dolmetscherin bei der älteren Bevölkerung und den kleinen Kindern, und um die Ärmsten der Armen und Kranken zu suchen. 2010 gab ich ihr die Möglichkeit, den Führerschein zu machen, damit sie in meiner Abwesenheit die Fahrdienste weiterführen konnte, um Geburtsbescheinigungen für Rentenanträge und Kindergeld für diejenigen zu besorgen, die keine hatten und es alleine nicht schaffen. Sie war mir immer eine große Hilfe, doch nun muß ich erstmal eine Weile ohne sie klar kommen: Im Juli hat sie Zwillinge geboren. 2011 hatte sie sich verliebt, sich mit dem Mann eingelassen und nachdem sie ihm Anfang 2012 von ihrer Schwangerschaft erzählt hatte, war das auch das Letzte, was sie von ihm sah. Leider passiert dies in Südafrika sehr häufig. Und wenn die Väter – wie im Fall von Zandile – nichts verdienen, sind sie nicht zum Unterhalt verpflichtet und man fahndet auch nicht nach ihnen. Hinzu kommt nun noch, dass Zandile nicht stillen kann, und die Erstlingsnahrung sehr teuer ist. Eine große Dose kostet umgerechnet 20 Euro, und bei zwei Babies braucht man gleich immer das Doppelte. Das wichtigste jedoch: Es sind zwei gesunde Mädchen, die ihr viel Freude machen.

Vergewaltigungen, Aids, Kinder – Aufklärungsbedarf ohne Ende

In Südafrika bekommen sehr viele junge Mädchen schon mit spätestens 15 Jahren Kinder. Oft wurden sie vergewaltigt von ihren eigenen Onkeln oder Großvätern. Vom Staat bekommen diese jungen Müttern als Unterstützung nur ein Kindergeld von 280 Rand (rund 28 Euro) monatlich. Ich habe nun schon junge Mädchen getroffen, die mir tatsächlich sagten: „Ich habe mir ein Kind machen lassen, um im Monat wenigstens 280 Rand zu haben.“ Da fehlen mir die Worte.

Ein Kind zu haben, zeigt in Südafrika auch, dass man fruchtbar ist und noch viele andere Kinder haben könnte. Und je ärmer die Leute sind, desto mehr Kinder haben sie, denn damit – so denken sie – steigt die Chance, dass eines davon vielleicht mal viel Geld verdient und die Familie ernähren kann …

Wir schreiben nun das Jahr 2013 und das Gerücht: „Wer mit einer Jungfrau schläft, wird
von AIDS geheilt oder ist vor AIDS geschützt,“ hält sich hartnäckig – und ist der Hauptgrund für die vielen Vergewaltigungen!

Von diesen Denkweisen lasse ich mich jedoch nicht entmutigen und sage stattdessen: „Jetzt erst recht weitermachen!“ Denn es besteht Aufklärungsbedarf ohne Ende.

Vertrauen aufbauen und Tabu-Thema AIDS ansprechen

Dies ist auch der Grund dafür, warum wir in unserer Tagesstätte für Schulkinder nicht nur eine warme Mahlzeit reichen und Mathe, Englisch und Computerwissen lehren. Hier versuchen wir vor allem auch, Vertrauen aufzubauen und solche Tabu-Themen anzusprechen. Wir nennen das „Life Orientation“. Es ist äusserst wichtig, diese Themen offen an- und Worte wie „AIDS“ und „HIV“ tatsächlich auszusprechen. Denn nur so werden sie aus der Tabu-Zone herauskommen. So stirbt in den ländlichen Gegenden und Townships offiziell „niemand“ an AIDS. Dies aber nur, weil die Kranken häufig von den eigenen Familien verstoßen werden und auf der Straße leben.

Wichtig ist Aufklärung darüber, wie man sich vor AIDS schützen kann, dass es nicht ansteckend ist, wenn man mit Infizierten normal in einem Haushalt zusammenlebt, und dass die Medikation unbedingt eingehalten werden muss. Denn viele verstehen nicht, warum sie Medikamente nehmen müssen, wenn es ihnen doch im Moment gut geht.

Ein Beispiel aus den letzten Monaten: Ich wurde mal wieder auf einen bitterarmen Haushalt aufmerksam gemacht mit 2 sehr jungen, AIDS-kranken Müttern, die kaum in der Lage waren, sich von ihren Schlafstätten zu erheben. Mit ihnen lebten 4 Kleinkinder, von denen 2 noch nicht richtig laufen konnten und im Dreck vor den verfallenen Rundhäusern krabbelten und nach Essbarem suchten, was sie sich mit streunenden Hunden teilten. Die Mütter hatten nicht einmal das bißchen Kleingeld, um mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Klinik zu fahren, wo es die Medikamente längst kostenlos gibt.

Die Kinder habe ich dann bei einer Verwandten untergebracht, die Mütter in die nächste
Klinik zur Einstellung mit Tabletten gefahren und nun schaue ich natürlich regelmäßig
vorbei und bringe gesunde Lebensmittel, damit sie schnell wieder zu Kräften kommen, um
ihre Kinder selbst versorgen zu können.

Ähnliche Fälle finde ich immer wieder, wenn ich „meine“ Kinder aus den Tagesstätten „zu Hause“ besuche: 12-Jährige versorgen alleine die kleineren Geschwister, Großmütter haben bis zu 1o Kinder ihrer verstorbenen oder arbeitssuchenden Kinder aufgenommen, aber selbst kaum was zum Essen.

Warum Uniformen, wenn sie zusätzliches Geld kosten?

Wer achtet in solchen Verhältnissen schon auf die Schulbildung der älteren Kinder? Es fehlen Uniformen, Schuhe und wärmere Kleidung und somit gehen die Kinder nur bei gutem Wetter zur Schule – wenn überhaupt.

In Deutschland werde ich immer wieder gefragt: „Warum kauft ihr Uniformen, wenn sie zusätzliches Geld kosten? Ganz einfach: Man soll in der Schule nicht nach dem Äußeren beurteilt werden. Die Intelligenz sollte über die Noten und das Ansehen entscheiden. Aber, so wie in Deutschland Kinder untereinander grausam sein können, wenn jemand nicht die gerade angesagte Markenklamotten trägt, so wird man dort gehänselt, wenn man sich keine Uniform samt Schuhe leisten kann. Zusammen sind das umgerechnet 50 Euro. Die trägt man dann Tag für Tag, bis man rausgewachsen ist. Und sie werden so lange an Geschwister und Verwandte weitergegeben, bis sie auseinander fallen.

Wer keine Uniform hat, bleibt also zu Hause und schaut, wie und wo man Essbares herbekommt. Wenn die Kinder erstmal in diesem Kreislauf sind, wird das Erlernte wahrscheinlich nicht für einen Schulabschluß reichen, somit keine Chance auf einen Arbeitsplatz – und schon haben wir die nächste Generation der Armut.

Genau aus diesem Grund spreche ich auch oft mit Lehrern, die zum einen mich auf Kinder aus schwierigen Verhältnissen aufmerksam machen und zum anderen hungrige Kinder auf meine Tagesstätten hinweisen.

Auf diese Weise gebe ich vielen Menschen die „Chance“, den Weg aus der Armut zu finden
und nicht wegen Hunger zu Kriminellen zu werden. Denn so würden sie wiederum zu Erwachsenen, die „ohne Werte“ aufgewachsen sind – und das betrifft die gesamte Menschheit.

Hierfür setze ich meine Kraft, meine Energie und Ihre Spenden ein und verbürge mich dafür, dass alles an den richtigen Stellen und bei den wirklich Bedürftigen ankommt.

Auch viele weiße Südafrikaner, meistens Farmer, unterstützen mich und meine Projekte mit Rat und Tat. Viele Schwarze arbeiten für sie und daher wollen die Farmer auch eine Verantwortung übernehmen. Und: sie schützen sich so vor Überfällen und Morden. Denn wenn die Lebenserwartung nur rund 40 Jahre beträgt, ist vielen ihr eigenes Leben nicht viel wert und somit auch nicht das Leben der Anderen …

Erste Besucher aus Deutschland

Abschließend möchte ich noch berichten, das im Oktober 2012 die ersten deutschen Besucher in Südafrika waren, um meine Projekte zu sehen, die Verhältnisse und Notwendigkeiten zu verstehen und das Land ein wenig kennenzulernen. Sie waren sehr beeindruckt davon was mittlerweile, in der kurzen Zeit, schon errreicht wurde und wo die Spendengelder hinfließen.

Die Welt ist so klein geworden und jeder kann sich jederzeit selbst davon überzeugen – und ist herzlich eingeladen!

Ich danke allen Spendern nochmals für die vielseitige Unterstützung in den letzten Monaten und das in mich gesetzte Vertrauen! Macht bitte weiter so, dann können wir alle zusammen die Welt ein kleines bißchen freundlicher gestalten, indem wir Liebe, Zeit und Vertrauen schenken und von unserem Überfluss an Konsumgütern ein wenig abgeben an die Menschen, die nicht das Glück hatten in unserem Teil der Welt geboren zu werden…

In Liebe und Dankbarkeit
Eure southafrican Helga

1 Kommentar

  1. Hallo Helga, leider habe ich so lange nichts von Dir gehört und als ich versucht habe, Dich per Handy zu erreichen, war das leider nicht möglich. Wir wollten Dir doch so gerne zu Deinem Geburtstag gratulieren und noch mal ausgiebíg mit Dir quatschen. Na ja, vielleicht das nächste Mal. Wir hoffen, es geht Dir gut und Du kommst mit all
    den Widrigkeiten gut klar. Wenn es Dir möglich ist, kannst Du Dich ja mal melden.
    Würden uns sehr freuen. Bis dahin
    Karin

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