Von Straßensperren, Studienabschlüssen und Häuptlingstreffen

Hier nun nach langer Zeit mal wieder ein Lagebericht aus Südafrika! Ich weiß gar nicht so recht, wo ich beginnen soll, so viel ist in der Zwischenzeit passiert. Es wäre sicher schlauer, öfters mal kleine Neuigkeiten zu posten. Vielleicht klappt das ja künftig besser 😉

Beinahe hätte ich als Überschrift „Straßen-Zustands-Bericht“ gewählt, weil dieser in diesen letzten Monaten sehr oft meinen Tagesplan durcheinander wirft und immer wieder für Ärger sorgt.

Dieses eigentlich wunderschöne Land kommt einfach nicht zur Ruhe. Jetzt im August stehen die Wahlen an, und die verschiedenen Parteien kämpfen natürlich, genau wie in Deutschland, um Stimmen. Es finden Protestaktionen statt, die sich gegen das jetzige System auflehnen. Es werden Autoreifen verbrannt, Bäume gefällt und quer über die Straße gelegt, manchmal auch dicke Felsbrocken, und es wird sich in Rage getanzt. Oft arten diese Aktionen in Gewalt aus. Das Ganze erinnert stark an die Apartheit, als alles begann, nur dass es diesmal von der anderen Seite ausgeht. Sie streiken für höhere Löhnen, brennen dabei aber Schulen, Krankenhäuser und andere öffentliche Einrichtungen ab. Oder sie setzen Felder und Wälder in Brand, um auf sich aufmerksam zu machen, sehen aber nicht, dass sie dabei ihre Einkommensquelle vernichten und ihre eigene Bildung, die so wichtig für die Zukunft ist, aufs Spiel setzen. Es ist immer nur eine Minderheit, aber diese hält das ganze Land in Atem. Überfälle auf Farmer, ja sogar Morde sind leider hier an der Tagesordnung. Vorsicht und Umsicht sind da immer und überall oberstes Gebot.

Jeden Morgen bekomme ich von Bekannten oder den Betreuern in den Kindertagesstätten via Handy ein Update, welche Straßen gerade passierbar sind und welche ich unbedingt meiden sollte. Doch selbst die Kommunikation ist nicht immer gesichert: Telefonleitungen werden nach wie vor geklaut, so dass es kaum noch funktionierendes Festnetz gibt. Und von den rot-weißen Masten, welche die Internet und Handy-Verbindungen gewährleisten, wird das Metall abmontiert. So ist man manches mal unerreichbar, was vieles sehr kompliziert und umständlich macht.

Das klingt alles sehr negativ, aber so sieht es in diesem Land derzeit aus. Die Menschen müssen damit leben. Oder sie wandern aus. Ich lebe damit und lasse mich dadurch nicht von meiner Arbeit unter den Schwarzen abhalten. Wenn alles in Ordnung und die Verteilung der Ressourcen gerecht wäre, bräuchte man mich und andere Helfer in diesem Land nicht.

Kürzlich erzählte mir eine meiner Studentinnen noch, dass die ganze Familie für mich betet, dass mir nichts passiert, weil sie mich brauchen. Ich bin keine Südafrikanerin, will nur helfen und den Bedürftigen Beachtung und Liebe schenken, ihnen Nahrung, Kleidung und die Möglichkeit zur Bildung geben. Dadurch fühle ich mich sicher, geführt und getragen.

Meine vier Tagesstätten und die Suppenküche laufen nach wie vor gut:

KUYASA  wird zwei bis drei mal im Jahr mit Nahrungsmitteln von der Regierung unterstützt, weil sie als NPO (non-profit organization) nun anerkannt wurde. Aber es ist leider kein Verlass darauf, weil das Geld für Lebensmittel oder die Lebensmittel selbst auf dem Weg oft verschwinden. Die Betreuerinnen sind sehr gut und engagiert, so dass die Kinder viel lernen.

NDUNDWENI  läuft nach wie vor mit leider nur einen Betreuerin, aber sie gibt ihr Bestes und fürs nächste Jahr ist auch eine Änderung geplant.

Auch in GQUGQUMA  bin ich mit den Betreuerinnen sehr zufrieden. Jedoch lässt die Sauberkeit hier immer wieder zu wünschen übrig. Doch die Herzlichkeit macht das wieder wett… Wir denken hier über die Möglichkeit einer anderen Unterkunft nach, da die große Community-Hall zu oft für andere Zwecke genutzt wird, was unsere Arbeit sehr behindert

In diesen drei Tagesstätten werden dieses Jahr jeweils rund 20 Kinder betreut. Für alle drei Orte konnten wir übrigens dank der vielen Spenden aus Deutschland nicht nur die dringend benötigten Lebensmittel, sondern erstmals auch größere Spielgeräte für draußen anschaffen: Fußbälle, Rutschen und Trampoline!

In OSWATHINI  unterstützen wir nach wie vor die Suppenküche von Norah, in der täglich bis zu 50 Kinder nach der Schule mit einer warmen Mahlzeit versorgt werden.

Und last but not least noch zu unserer Vorzeige-Tagesstätte, die sich ebenfalls in OSWATHINI befindet. Beide Betreuerinnen besuchen abwechselnd einmal in der Woche eine Schule, wo sie zu Erzieherinnen ausgebildet werden. Im Juli haben beide bereits ihren ersten Abschluss erhalten. Und nun machen sie weiter, um sich als Lehrerin für Erstklässler ausbilden zu lassen. Sie unterrichten im Rahmen ihrer Möglichkeiten vorbildlich, haben täglich bis zu 30 Kinder in der Tagesstätte und halten die Unterkunft sehr sauber. Leider platzt das Gebäude aus allen Nähten und kann in Zukunft nicht weiter benutzt werden. Deshalb schaue ich mich schon länger nach anderen Möglichkeiten in der Nähe um. Und wie es so schön heißt: „Good things come to those who wait.“ Nach langem Warten hatte ich vor ein paar Wochen endlich eine Zusammenkunft mit dem Häuptling (Induna) dieser Gegend und es wurde ein Ukubhekwa („Übergabe“) abgehalten. Das bedeutet: Ein Grundstück aus dem  Africa-Trust wurde offiziell an  Ekukhanyeni übergeben! (Zur Erklärung: Das gesamte Land der Schwarzen gehört einem Trust und ist ihnen nur zugewiesen worden.)

Das Ganze war eine lustige Geschichte, denn als erstes wurde ich gefragt ob ich Trinkerei dabei habe. Der Induna hatte die ganze „Nachbarschaft“, 37 Leute eingeladen, die bezeugen sollen, dass er mir dieses Land überträgt und man sich darüber geeinigt hat, wie es bebaut werden soll. Nachdem er es abgeschritten hatte und alle Zeugen ihr Einverständnis durch Beifall bekundet haben, besiegelten er und ich per Handschlag den Deal und stießen mit einem Plastikbecher an. Es mußte sein: Brandy, Whisky, Wodka, Bier, selbstgebrautes Zulu-Bier (brrrh..) und Softdrinks. Außerdem erhielten der Induna und der bisherige Eigentümer im Beisein der Zeugen den vereinbarten Kaufpreis. Die Sache war erst abgeschlossen, als der Alkohol komplett geleert war, die Teilnehmer betrunken waren und ich dem Häuptling anbot, ihn nach Hause zu fahren, was er stolz mit drei weiteren Männern annahm. Ein Ablauf, wie er hier offiziell so üblich ist …. 😉

Das heißt also: Ekukhanyeni hat offiziell ein Grundstück erworben, auf dem wir jetzt einen Neubau der Tagesstätte planen! Mit dem Bau wollen wir möglichst bald beginnen, doch in Afrika braucht es – wie ich mittlerweile gelernt habe – auch dafür viel Geduld. Geeignete Bauleute müssen gefunden werden, Entwürfe gezeichnet, Kostenvoranschläge eingeholt, Materialien besorgt werden. Als allererstes jedoch, noch vor dem ersten Spatenstich, muss eine stabile Umzäunung aufgestellt werden. Sonst verschwindet das Baumaterial leider so wie es geliefert wird.

Das Grundstück in Oswathini, auf dem der neue Creche entstehen soll.
Das Grundstück in Oswathini, auf dem der neue Creche entstehen soll.

Natürlich hatte ich vorher lange Überlegungen angestellt, ob ein Grundstückserwerb von unserem Spendenkonto zu bewerkstelligen ist, ohne dass andere Projekte darunter leiden. Und für ein solches Vorhaben musste natürlich auch gewährleistet sein, dass ich überhaupt noch in Südafrika bleiben darf: Ich hatte daher mir und den Oswathini-Betreuerinnen versprochen, das Thema anzupacken, sobald ich ein neues 3-Jahres-Visum bekomme. Und siehe da, nach langem Kampf habe ich es im Mai erhalten! (eine Geschichte für sich ….)

Als ich dann endlich alles in die Wege geleitet hatte, kam völlig überraschend eine große Geldspende aus Deutschland auf unserem Spendenkonto an. Für mich ein Zeichen dafür, ich das Richtige am richtigen Ort tue. 1000 Dank an unseren himmlischen Vater, der die schützende Hand über mich hält und an die lieben, edlen Spender für ihr großes Vertrauen, das sie in mich und meine Tätigkeit setzen! Ich kann nur versprechen, dass es dort angelegt wird, wo es am nötigsten gebraucht wird.

Viel Neues also aus Oswathini.

Aber das ist noch nicht alles:

Mittlerweile kann ich stolz von acht „Studenten“ berichten, denen wir Studiengebühren, Laptop, Transportkosten und Unterhalt bezahlen. Vier von ihnen haben bereits ihren Abschluss in der Tasche, drei haben einen Führerschein gemacht, die anderen stehen noch am Anfang ihrer Ausbildung:

  • Sanele hat als Anwalt graduiert
  • Zandile und Margret als Erzieherinnen, sie werden bis zur Lehrerin weitermachen (das sind die beiden Betreuerinnen in Oswathini)
  • Zinhle hat im College Erzieherin gelernt, sie macht jetzt eine Zusatzausbildung als „Computer Clerk“
  • Pilani hat seinen Führeschein gemacht und ist frischgebackener Security-Man
  • Kansas hat nun einen LKW-Führerschein, arbeitet aber zur Zeit als Fahrer im Krankenhaus, um näher bei seinen 3 jüngeren Geschwistern zu sein, die er alleine versorgt
  • Noxolo wird ab Januar zum College gehen, um Lehrerin zu werden, sie macht in der Zwischenzeit ein Praktikum und spart dadurch ein Jahr am Studium
  • Andile studiert Landwirtschaft und hat ihren Führerschein gemacht
  • Amanda Madlala geht zum College und will Krankenschwester werden

Ekukhanyeni-KansasJeder Student kostet Ekukhanyeni rund 100 Euro im Monat. Die Kosten für den Führerschein liegen bei 300 bis 500 Euro je nach Klasse. Geld, das aus meiner Sicht sehr gut angelegt ist: Denn wir ermöglichen ihnen, einer geregelten Arbeit nachzugehen, ihre Familien zu versorgen, und als Lehrer oder Erzieher selbst zur Ausbildung der künftigen Generation beitragen können und ihnen so Hoffnung auf ein besseres Leben zu geben. Auch die Familien im Hintergrund mit ihren Sorgen, Problemen und dem Nahrungsmittelmangel vergessen wir dabei nicht und helfen, wo es nur geht.

Sehr dankbar bin ich in diesem Zusammenhang einigen Gemeindemitgliedern aus Harburg und Wartburg, die mich oft mit Secondhand-Kleidung, ausrangiertem Spielzeug und anderen brauchbaren Dingen unterstützen. Von den Kindern und ihren Familien wird das freudig und dankbar angenommen!

Ich danke allen Spendern in Deutschland für ihre Unterstützung und sende herzliche Grüße aus dem winterlichen Südafrika!

Und hier noch ein Video von der Grundstücksbegehung im Juni 2015:

3 Kommentare

  1. Liebe Helga,
    ich grüße dich aus den Wilnsdorfer Haubergen, wo ich mit meinem E-Mountainbike unterwegs bin. Ich habe deinen Straßenzustandsbericht, der sich täglich anders gefährlich gestalten kann, mit Bestürzung gelesen. Hier bei uns kann einem höchstens mal ein aufgeschrecktes Reh oder eine Wildsau in die Quere kommen.
    Ich bewundere deinen Mut.
    Gerhard aus der „Bärenecke“.

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