Ende letzten Jahres hatte ich hier in Südafrika hilfreiche Unterstützung von einer Praktikantin: Christina, die wie ich aus dem Siegerland stammt. Sie half mir vier Wochen lang dabei, die Tagesstätten zu versorgen und zu organisieren. Nun hat sie ihre Eindrücke in einem Bericht zusammengeschrieben, den ich euch natürlich nicht vorenthalten möchte. Vielen Dank für die lieben Worte, Christina!
Hier ist ihr Bericht:
Willkommen in Südafrika? Willkommen im Siegerland!
Wie ich überhaupt darauf kam, zu Helga nach Südafrika zu reisen? Ein neues Land, eine mir fremde Kultur wollte ich in Südafrika kennenlernen, aber nicht per Backpacking von Ort zu Ort, wo ich im Zweifelsfall doch wieder bei vielen anderen Touristen lande, sondern dort, wo man fernab von Touristen ist, wo man erste Eindrücke des „richtigen“ südafrikanische Lebens sammeln kann. Wo man nicht einfach Urlaub macht, sondern sieht, was Helga täglich leistet und wobei man vielleicht sogar etwas mithelfen kann. Gesagt, getan, auf nach Südafrika – mit ganz viel Gespanntheit und auch ein bisschen Aufregung im Gepäck, da sich niemand beim Abschied nehmen lässt, auf sämtliche existierenden Gefahren hinzuweisen. Nach einigen Stunden im Flieger wurde ich zwar von Regen (seit etlichen Tagen hatte es nicht geregnet, man konnte es also auch positiv sehen) und von Helga und einem Willkommensschild herzlichst begrüßt. Nach einem Zwischenstopp angekommen in Harburg, Helgas Wohnort, kamen doch einige Fragen bei mir auf: Das soll Südafrika sein? Sieht ja aus wie im Siegerland! Untypische Kälte, viel Nebel auf der Fahrt, mit Schlaglöchern gepflasterte Straßen, deutsche Ortsnamen, SPAR-Supermärkte und vor allem viele, viele grüne Hügel. So gar nicht, was man (ich) sich unter Südafrika vorstellt. Einige der ersten Leute, die ich kennenlerne? Sprechen Deutsch, haben deutsche Namen.
Mein Bild nach 4 Wochen Südafrika ist allerdings ein ganz anderes. So viele verschiedenen Menschen durfte ich dank Helga kennenlernen, Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, unterschiedlicher Bildung, unterschiedlichen Alters, doch was alle vereint: Die uneingeschränkte Freundlichkeit. Mir begegneten fast alle herzlich, interessiert, offen; oft werden spontan Einladungen zum Kaffee, Kuchen oder Essen ausgesprochen. Ganz häufig kommt zu Beginn des Smalltalks die Frage „How are you?“, man antwortet, es folgt die Gegenfrage und oft entsteht daraus ein kleines Pläuschchen. Wie ernst gemeint diese Fragen und Antworten sind, muss ja gar nicht relevant sein, man kann es auch einfach als nette alltägliche Geste anerkennen, und das macht einfach Spaß. So unterschiedlich die Menschen und deren Leben, so unterschiedlich auch die Natur in KwaZulu-Natal: Siegerland, Nationalpark mit Giraffen, Zebras u.v.m., Berge, Grand Canyon, Felsen, Dürre, verbrannte Erde – alles findet man dort, ohne die nähere Umgebung zu verlassen!
Was mich am allermeisten in Südafrika überrascht, erschrocken und auch am meisten nachhaltig beeinflusst, ist die extreme Wahrnehmung und Bedeutung der Unterscheidung von Menschen in „schwarz“ und „weiß“. Wie vorgeschrieben oder zumindest beeinflusst die Lebenswege dadurch sind, wie Helga diese Wege teilweise durch Kindergärten, Finanzierung von Führerschein, Ausbildung, Studium positiv beeinflusst und wie man überall die Unterschiede sieht und heraushört. Als Deutscher, der Hautfarben nicht weiter wahrnimmt oder zumindest keine Beachtung beimisst und der Skrupel hat, überhaupt von „Weißen“ und „Schwarzen“ zu reden. Doch aus den Schwarzen, den Weißen und den Unterschieden besteht dieses Land wohl auch. Viele „niederen“ Jobs werden nur von Schwarzen ausgeführt, Weiße würden nicht an der Kasse im Supermarkt kassieren, an den Zapfsäulen der Tankstellen betanken Schwarze das Auto. Unterhält man sich aber mit Weißen hört man schnell heraus, dass sie wiederum immer größere Probleme haben, Jobs zu bekommen und Menschen anderer Hautfarben bevorzugt werden. Weiße Farmarbeiter? Habe ich nicht entdecken können. Sind die Weißen sich für diese Arbeit zu schade und wollen lieber delegieren? Andererseits: Was würden Schwarze ohne diese Jobs, ohne das Gehalt machen? Viele Dinge lassen sich kaum eindeutig beantworten, auch wenn die jeweiligen Personen das vermutlich anders sehen würden.
Jetzt soll es bei meinem Bericht natürlich nicht nur um meine allgemeinen Südafrika-Eindrücke gehen, sondern auch um Helgas Arbeit. Dank Helga und unseren fast täglichen Touren habe ich jede Menge Einblicke in Familien, Häuser, persönliche Schicksale und Alltag bekommen, habe die Kindergärten besucht, Kindergärtnerinnen und Kinder kennengelernt. Man sieht, woher (zumindest bestimmt einen Teil davon) Helga ihre Motivation nimmt: Dank der vielen Spenden konnte Helga bisher schon jede Menge aufbauen, sie kann Essen für die Kinder in den Kindergärten kaufen, kann ihnen Spielzeug, gekauft oder gespendet, bieten. Die Kindergärtnerinnen helfen ihr dabei, indem sie die Kinder betreuen, Essen zubereiten, mit ihnen spielen und sie teilweise sogar schon auf die Schule vorbereiten. Immer wieder sind Fortschritte zu erkennen, das Feedback von Grundschullehrern, die schnell feststellen, ob Kinder in den Genuss eines solchen Kindergartens gekommen sind oder nicht – es bringt also etwas! Aber genauso frustrierend muss es doch sein, wenn man sich auf Kindergärtnerinnen nicht verlassen kann, die Hilfe und Tipps nur bedingt aufnehmen, die auf die ernst gemeinte Frage, welche der Lebensmittel im Auto sie aktuell benötigen, IMMER antworten „alles“, da sie alles haben wollen anstatt unterstützend zu antworten. Wo vielleicht alles nur funktioniert, sobald bzw. so lange Helga da ist.
Ich habe großen Respekt davor, wie Helga immer wieder versucht, neue Projekte zu starten, obwohl aus unterschiedlichsten Richtungen Steine in den Weg gelegt werden, wie einen neuen Kindergarten auf gekauften Grundstück zu bauen, was aber einfach zwischenzeitlich nicht möglich ist, weil das Verlängern des Visums 7 Monate dauert und somit jegliche Planungsgrundlage fehlt. Verdammt frustrierend stelle ich mir das vor! Und bestimmt hinterfragt man sich häufig, ob alles nicht doch nur ein Tropfen Wasser auf dem heißen Stein ist. Aber selbst wenn? Dann ist es doch immer noch mehr, als nichts zu tun und niemanden zu helfen! Und ein Kindergarten wie Kuyasa, bei dem so herzliche Kindergärtnerinnen und Kinder sich mit einer sehr kleinen Räumlichkeit super arrangieren, in dem den Kindern versucht wird, spielerisch, mit jeder Menge Spaß und mit Liedern möglichst viel beizubringen; die dank des Kindergartens ein wenig Alltag, Erziehung und auch Disziplin lernen (gegessen wird erst, wenn alle ihre Hände gewaschen haben und jeder sein Essen auf dem Teller hat!), der kann bestimmt einiges ausgleichen. Das gibt Mut, ist einfach schön anzusehen und, wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann, ein Geburtstagsständchen von den Kleinen gesungen zu bekommen, ist schlichtweg rührend.
Genauso rührend: Wie die Kinder sich freuen, wenn sie Helgas Auto entdecken, wie sie jedes Mal auf uns zugestürmt sind, auf bzw. in den Arm genommen werden wollen, sich über ein bisschen Aufmerksamkeit und Ballspielen, trotz enormer Sprachbarrieren, freuen. Ich könnte mir vorstellen, dass es genau die Momente sind, die Helga für jede Menge Frustration, Korruption und Ärger entschädigen und gleichzeitig ermutigen, weiterzumachen mit dem, was sie macht, weil es der richtige Weg ist.
Während meinen knapp vier Wochen bei Helga habe ich leider auch teilweise den Eindruck gewonnen – wie schon oben angedeutet- dass das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ (noch?) nicht fruchtet, sondern dass alles nur genauso lange läuft, wie Helga sich selbst um alles kümmert, da einfach nicht vorausschauend gedacht wird, man denkt nicht an den nächsten Tag. Wird die letzte Packung Reis angebrochen, wird längst nicht daran gedacht, dass bald neuer Reis benötigt wird, denn das fällt erst auf, wenn kein Reis mehr da ist. Kleinigkeiten, wegen derer man eigentlich nur mit dem Kopf schütteln kann als „strukturierter Deutscher“, doch so ist es eben und man kann (und sollte) nicht alle Menschen verändern und aus ihnen gleich denkende Menschen machen. Und selbst wenn alle Unterstützung dadurch vielleicht nur der Tropfen auf dem heißen Stein ist in so einem riesigen und manchmal scheinbar hoffnungslosen Land wie Südafrika, dann ist dieser Tropfen immer noch sehr viel. Es geht schließlich bei alldem um Menschen. Wenn, die Kindergärten einmal außer Acht gelassen, nur einem Mädchen sein Studium, nur einer Kindergärtnerin eine Ausbildung finanziert wird, dann ist den drei Menschen schon verdammt viel geholfen und Helga und ihre Spenden haben für diese drei Personen und deren Leben einen riesigen Unterschied gemacht. Und ist genau das nicht das, was zählt?
Christina D.